Montag, 4. Oktober 2010
Studienartig
Die folgende Stellung entstand in der Partie zwischen Nguyen und Huschenbeth bei der gerade beendeten Olympiade in Khanty-Mansiysk. Die deutsche Mannschaft hat leider die anfänglich gute Leistung in den letzten zwei Runden nicht bestätigen können und landete auf einem enttäuschenden 64. Rang.

Nguyen-Huschenbeth

Hier kam es zum Kurzschluss
55.Lb8 Td7 56.Kh3 Kd5
und wegen 57.-Tb7 0-1.

Die Frage, die hier der deutsche IM Schneider bei chessbase stellte, war, was denn nach 55.h3 sei. In der Tat ist der Gewinn danach schwer nachzuweisen. Aber die Stellung ist auch dann gewonnen. Folgendes ist in Betracht zu ziehen:
1. Fast alle Bauernendspiele sind für Schwarz gewonnen. Es sei denn er kann nach dem Übergang die Opposition halten.
2. Weiß muss ständig verhindern, dass Schwarz einfach den Bh3 abholt. Dies kann durch einen schwarzen Königszug nach g3 geschehen. Allerdings hat Weiß gar nicht so viele Läuferzüge auf der Diagonalen b8-h2: g3 und f4 fallen aus naheliegenden Gründen aus, h2 führt eigentlich immer zum Tausch T gegen L und damit zu 1. die restlichen 4 Felder können die schwarzen Figuren überdecken.
Der Läufer kann natürlich wegen 1. auch nicht nach e1 und f2.
3. Aber es gibt Konstellationen, in denen Weiß seine beiden Bauern gegen den g-Bauern geben kann und dennoch remis hält. Das gilt es zu vermeiden.

Also stelle ich meinen Gewinnweg nach 55. h3 vor:
55.-Td7!
Vielleicht nicht der einzige Gewinnzug, aber der klarste. Viele Möglichkeiten hat Weiß nicht.

Nguyen-Huschenbeth Analyse

Schnell erledigen kann man
I.56.Lh2 Td2+ 57.Kg1 Txh2!

Vergleichsweise einfach ist auch
II.56.Lb8 Kd5!
Es droht 57.-Tb7. Danach muss der wL nach h2 und wird getauscht, das entstehende Bauernendspiel ist gewonnen für Schwarz. Also sofort:
57.Lh2 Tb7 58.Lg1
Der Läufer muss die Diagonale wechseln, da er sonst mit verlorenem Bauernendspiel abgetauscht wird. Jetzt dringt der Schwarze nach g3 ein.
58.-Tb3 59.Lf2 Ke4 60.La7 Kf4 61.Ld4 Td3 62.Lf6 Td2+ 63.Kf1 Th2 oder 63.Kg1 Kg3

Der nächste Zug ist
III.56.La5 Ta7!
Auf der a-Linie steht der Turm sehr gut.
57.Lb4 Ta6!
Verhindert die Rückkehr des Läufers auf die Diagonale b8-h2.
58.Le7 Kf4 59.Ld8 Ta2+ 60.Kf1 Kf3 61.Lf6 Td2 62.Ke1 Td5 nebst 63.-Kg3

Am schwierigsten wird es bei
IV.56.Lb6 Td2+ 57.Kh1 (57.Kg1 ist schlechter) 57.-Tc2
Nguyen-Huschenbeth Analyse

a) 58.La7 hat das Problem, dass Schwarz jetzt nicht mehr den Bg5 bedrohen kann. 58.-Tc8 verhindert die Aktivierung des Läufers. 59.Kg2 Kf4 - jetzt hat Weiß kaum einen guten Zug. Auf 60.Lb6 oder 60.Ld4 folgt 60.-Tc2+ und jetzt folgt auf 61. Lf2 einfach ein Tempozug auf der 2. Reihe, wonach der Widerstand schnell bricht. Also folgt 61.Kf1, um nach 61.-Kg3 nicht auch noch mit Mattdrohungen kämpfen zu müssen. Und jetzt 61.-Kg3 62.Le3 Kxh3 63.Lxg5 Kxg4.
Nguyen-Huschenbeth Analyse
Diese Stellung mit Turm + Randbauer gegen Läufer ist für Schwarz gewonnen. Das ist nicht selbstverständlich, denn stünde der wL auf f4 wäre es schon remis. Aber so ist es einfach: der Bauer zieht nach h2, das Weiß nicht pünktlich unter Kontrolle bekommt.

b) 58.Ld8 Kf4 59.Kg1
Und jetzt kann man schnell daneben greifen: 59.-Kg3? 60.Lxg5 Kxh3 61.Lf4! und Weiß hat h2 und damit remis. Daher:
59.-Tc3!
Solche Manöver sollte man sich einprägen. Die c-Linie ist ungünstig, da ein mögliches Lxg5 das Matt auf c1 deckt. Daher geht es jetzt mit Tempo auf die d-Linie.
60.Kg2 Tc8 61.Le7 Tc2+ 62.Kg1 (62.Kf1 Th2) 62.-Td2
Schwarz ist am Ziel angelangt, der König kommt nach g3, aber es gibt noch einen kleinen weißen Trick:
63.Lb4 Td4 64.Lc5 Td5 65.Lf2 Kf3 66.Le1 Td1 67.Kh2 Ta1! nebst 68.-Ta2+ -+

c) 58.Kg1 Kf4 58.Ld8 ist Zugumstellung zu b).

Nachtrag:
Ich habe übrigens im Müller gelesen, dass diese Stellung hier für Weiß eine Festung ist.
Festung

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Zu Variante II
Nach 58.Lg1 Tb3 59.Lf2 Ke4 dürfte statt La7 60.Lc5 hartnäckiger sein, um auf Kf4 Ld6+ spielen zu können. 60.-Tb2+ 61.Kg1 Kf3 62.Ld6 stellt faktisch die Ausgangslage wieder her. Wie knackt man das?

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In der Tat...
...muss Schwarz dann noch etwas manövrieren.
60.Lc5 Td3!
Schwarz muss d6 überdecken.
Z.B. 61.Lb4 Td4 62.La5 Tc4 und Weiß hat keinen sinnvollen Zug mehr, da auch 63.Ld8 Kf4 64.Le7 Td4 scheitert. Auf einem 9x9-Brett würde die Verteidigung eventuell funktionieren, aber so sind die Diagonalen einfach zu kurz. Schwarz darf mit dem Eindringen jedoch
nicht voreilig sein.

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Ja, aber...
...natürlich erwidere ich auf 60.-Td3 nicht Lb4, sondern 61.La7. (Nicht Lb6 wegen Td7!) Falls 61.-Td8 mit Fastzugzwang, so versuche ich 62.Kf2. Gefühlsmßig glaube ich auch einen schwarzen Gewinn, aber variantenmäßig bin ich noch nicht 100% sicher.

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Okay, verstehe...
...auf 62.Kf2 Tc8 hat Weiß dann aber keinen vernünftigen Zug mehr. Auf 63.Kg2 kommt Kf4 und auf 63.Lb6 Tc2+ nebst 64.-Kf3.

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alles 4 Käse.
_deutlich_ klarer (und damit stärker) als das mit Ausrufungszeichen versehen Td7 erscheint mir der Einschub der Züge Td2+ Kg1 (und erst dann Td7), da der Läufer dann nicht die Diagonale wechseln kann. Der Gewinnweg ist dann sehr trivial.

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Das ist das Risiko...
...wenn man Analysen veröffentlicht. Ich hing nach dem Schach an einer anderen Stelle, aber denke nach Prüfung, dass Du richtig liegst, geck0.
Das ist übrigens sehr schade, da einige Methoden, die für solche T vs. L-Endspiele typisch sind und die ich hier vorgestellt habe, dann nicht mehr benötigt werden.

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