Dienstag, 16. November 2010
Neuauflage
Während die Leser hier gerne noch etwas weiter raten dürfen (die Auflösung folgt später, so gegen Ende der Woche), kommen wir nun zu meiner Partie.

Wir hatten vor ca. einem halben Jahr gegen unseren Gegner Marienwerder/Seelze/Garbsen das Relegationsmatch gewonnen und damit eigentlich dafür gesorgt, dass diese Mannschaft in der Bezirksklasse verweilen muss (Losso berichtete hier). Doch dann zogen die Schachfreunde Hannover ihre dritte Mannschaft aus der Bezirksliga zurück, was den Relegationskampf nachträglich zur Makulatur werden ließ. MSG war plötzlich mit oben. Und der Aufstieg schien zu beflügeln, die Mannschaft startete mit zwei hohen Siegen, so dass wir bei der Neuauflage den Tabellenführer zu Gast hatten. So kam es zu diesem Kampf auch zur Neuauflage einzelner Partien aus dem Relegationskampf. So auch bei mir, ich hatte wieder Weiß gegen den gleichen Gegner, Thomas Poeschel.

Interessanterweise war die Story meiner Partie auch eine ähnliche wie damals: Mit leichtem Vorteil aus der Eröffnung, gebe ich diesen beim Übergang in das Mittelspiel wieder her und erreiche eine ausgeglichene Stellung, als ihm eine Ungenauigkeit im Mittelspiel unterläuft. Im Relegationskampf kam ich so zu deutlichem Vorteil, gab dann jedoch aus Mannschaftsräson die Gewinnstellung remis, womit der Aufstieg feststand. Dieses Mal hingegen nahm ich den ganzen Zähler mit:

Loßin-Poeschel

In dieser Stellung rechnete ich als Weißer mit 1.-Sg5 und weiteren Vereinfachungen. Der Bauer h5 ist dann eher schwach als stark, dafür ist die Struktur am Damenflügel für mich eher angenehm. Insgesamt hatte ich mich schon mit einem friedlichen Ende abgefunden. Ich hoffte noch auf 1.-Le6 2.Sxe5 Ld5? 3.Sxf7!, hielt dies aber auch für eher unwahrscheinlich, da ich meinen Gegner ja nun schon kannte und wusste, dass er, vorsichtig ausgedrückt, aktive oder risikosuchende Züge sehr sparsam dosiert. Gar nicht berechnet hatte ich das ebenfalls mögliche 1.-Dd5.

Statt dessen entkorkte mein Gegner das fragwürdige 1.-Dc7?. Die Dame passiv zu stellen, die d-Linie zu verlassen und sie dabei ausschließlich mit Deckungsaufgaben zu betrauen, kann nicht gut sein, zumal der Te8 jetzt ungedeckt bleibt und Sg5 nun gar nicht mehr möglich ist. Das sind ganz schön viele Nachteile für einen Zug, der kurzfristig erst einmal nichts einstellt. Bei den Rechnern rangiert der Zug auf Platz 16 der möglichen schwarzen Züge, was wohl beredtes Zeugnis über die Qualität sein dürfte. Ab diesem Zeitpunkt agierte ich mit höchster Genauigkeit und kann mit dem nun folgenden Schluss der Partie sehr zufrieden sein.

Probiert es doch mal selbst!

... comment

 
Nach längerem Brüten bin ich zu der
Überzeugung gelangt, daß die Überführung des Läüfers über f1 nach d3 weitere Schwächen im schwarzen Lager hervorruft. Der Bauer h7 geht verloren.
Will Schwarz nach Lf1 aber h7 mit Sh6 und nachfolgendem Lf5 befestigen, so folgt 2. Lc4+ Kh8 3. Ta8 und e5 ist perdu.

... link  

 
Hier steht schon...
...sehr viel richtiges. Der Bauer h5 zeugt plötzlich von Stärke und nicht Schwäche.

Es folgte 1.Lf1! Sh6 und jetzt sofort 2.Ta8 De7 (hier gibt es schon nichts besseres mehr). Vielleicht kannst Du ja noch den finalen Schlag bringen.

P.S. "e5 ist perdu." Heißt perdu nicht verboten? Na ja, aber ich glaube, Du meinst das Richtige: Es kam 3.Lc4+ Sf7 4.Sxe5!. Danach war es nicht mehr schwer.

... link  

 
'Perdu' heißt verloren und ist z.B. in der Berliner Umgangssprache recht verbreitet. Als Autoritätsbeweis ließe sich auch Heines Gedicht "Enfant perdu" anbringen, auch wenn es dort um den 'verlornen Posten in dem Freiheitskriege' und nicht in einer Schachpartie geht.

... link  

 
Okay, alles klar,
dann eigentlich nur noch zwei Anmerkungen:

1. Irgendwie lustig, dass die Überdeckung von e5 wesentlich zum Einstellen des Bauerns beiträgt.

2. Eigentlich ist das ja eine Petitesse, aber im menschlichen Kopf geht es nicht so klar zu, wie bei der Analyse nachher am Rechner.

... link  


... comment